Offener Brief an Herrn Landau (CDU) im Anschluss an die FSC-Diskussion im hessischen Landtag

Unsere Reaktion auf die Rede von Herrn Schott (CDU) im hessischen Landtag.

Als pdf: Offener Brief Herr Landau

Die Rede als Video findet sich auf der Website der hessenschau.

 

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Sehr geehrter Herr Landau,

mit Interesse haben wir die Diskussion um die FSC-Zertifizierung für den hessischen Landesforst verfolgt. Zuerst einmal möchten wir Ihre Rede insofern loben, als dass sie im Verhältnis zu denen Ihrer Koalitionspartner verhältnismäßig viele Sachverhalte korrekt dargestellt haben.

Leider müssen wir Sie trotzdem an einigen Stellen berichtigen.

So loben Sie die Mitarbeiter von HessenForst als „gut ausgebildet und leistungsfähig“ und bedanken sich für die „wissenschaftliche Bewertung“ – wenn auch seitens des Umweltministerium diese nur mit Widerwillen öffentlich zugänglich gemacht wurde. Gleichzeitig handeln Sie jedoch bewusst gegen die Empfehlung dieser Mitarbeiter, die sich explizit gegen die Zertifizierung ausgesprochen hatten. Statt sich also wirklich zu bedanken entmündigen Sie die Landesbediensteten, sprechen Ihnen die Fähigkeit ab, die Zukunft des Landesforstes mitbestimmen zu können. Zumal die FSC-Zertifizierung für viele von Ihnen den Verlust der Arbeitsplätze bedeutet[1] und für andere damit eine signifikante Erhöhung des Risikos von Arbeitsunfällen einher geht[2]; da können Sie noch so viele Kompensationen in Aussicht stellen. Eine Handlung, die nach Aussage Ihres Koalitionspartners ja angeblich gar nicht nötig ist, wie sowohl Frau Feldmayer als auch Frau Hinz versichern. Dass mit einer solchen Dreistigkeit wissenschaftliche Ausführungen eines Gutachtens verdreht werden, macht uns nahezu sprachlos. Lassen Sie uns kurz aufklären: Tatsächlich geht das UNIQUE-Gutachten von lokalen Kosten von 8 bis 11 Millionen Euro aus. Eine Position der Gesamtrechnung sind hierbei 3.29 Millionen Euro Mehreinnahmen durch die Bewirtschaftung jeder zweiten Rückegasse[3]. Diese Summe kann jedoch erst fließen, wenn der Bestand in den natürlich längst angelegten Rückegassen nachgewachsen ist, was in frühestens 50 Jahren der Fall wäre. Ferner veranschlagt UNIQUE rund 1.21 Millionen Euro

Mehrkosten für die Bewirtschaftung mit weniger Rückegassen pro Jahr[4]. Darüber hinaus müssten die „zuvielen“ Rückegassen erst zurückgebaut werden um sie entsprechend bepflanzen zu können, dieser nicht unerheblich kostenverursachende Umstand ist erst gar nicht eingepreist.

Dabei handelt es sich aber gar nicht um die Summe, auf die Frau Feldmayer und Frau Hinz sich beziehen. Diese soll durch Mehreinnahmen durch Douglasienholz entstehen. Ein Punkt, der im gesamten Gutachten gar nicht zu finden ist. Außerdem wird auch hierbei unterschlagen, dass diese Einnahmen in frühestens 50 Jahren zu Buche schlagen werden. Und wenn, so kann OHNE FSC mehr Douglasie angepflanzt werden als MIT; eine Vortäuschung von Mehreinnahmen ist hier also nicht nur mangelhaft recherchiert sondern auch stümperhaft durchgeführt worden.

Wir dürfen Sie zitieren: „Uns als CDU ist wichtig, dass der Wald in Hessen nach höchsten Standards nachhaltig und umweltschonend bewirtschaftet wird, weil er als unser Erbe für künftige Generationen erhalten bleiben soll und weil er viele Funktionen für die Umwelt, die Artenvielfalt, den Klimaschutz, den Wasserhaushalt – aber eben auch als Erholungsraum für die Menschen.“ Da Sie sich ja bereits seit 25 Jahren in der CDU engagieren sollte Ihnen eigentlich bewusst sein, dass diese „höchsten Standards“ schon seit Jahrzehnten im Bundeswaldgesetz sowie in den Landeswaldgesetzen verankert sind. Das, was der FSC für sich selbst in Anspruch nimmt, nämlich „umweltgerechte, wirtschaftlich tragfähige und sozial förderliche“[5] Waldwirtschaft, also längst festgelegt und in weiten Teilen auch umgesetzt wurde. Abgesehen davon ist der FSC das denkbar ungeeignetste Mittel, um die Bewirtschaftung der hessischen Wälder nachhaltiger zu gestalten. Er garantiert entgegen gängiger Meinung mitnichten die Nachhaltigkeit eines Produktes respektive einer Bewirtschaftungsform. Auch ist er, übrigens nach eigener Aussage, kein Ökosiegel[6]. Seine Forderungen sind rein plakativ, populistisch und undifferenziert. Wenn Sie sich zum Beispiel mit dem Thema Rückegassenabstände wirklich auseinandersetzen, werden Sie schnell erkennen, das die pauschale Forderung des FSC, diese auf 40 m auszuweiten, jeder fachlichen Basis entbehrt.

Das Geschenk, das Sie Ihrem Koalitionspartner da machen, bringt keinen Vorteil für irgendwen (außer den FSC selbst, natürlich) – aber es wird uns alle etwas kosten. Und damit meinen wir längst nicht nur die sowohl in der Bewertung von HessenForst als auch im Gutachten von UNIQUE veranschlagten 8 bis 11 Millionen Euro und die Folgen für die Mitarbeiter von HessenForst. Auch die Umwelt wird unter FSC mehr in Mitleidenschaft gezogen als ohne – wie beispielsweise durch die weiteren Rückegassenabstände[7] oder auch durch Flächenstilllegungen. Ihre Aussagen, dass „Bodenschutz durch weniger Rückegassen“ erreicht werden könne, ist im Übrigen grundlegend falsch[8].

Natürlich muss man für die Kalkulation der tatsächlichen Kosten solcher Forderungen eine globale Betrachtungsweise an- – und globale Verantwortung übernehmen. Aber das sollte ja für eine regierende Partei selbstverständlich sein. Eigentlich müssten Sie bei der Lektüre unserer bisherigen offenen Briefe an Ihre Kollegen verschiedener Parteien[9][10][11][12] bereits hierauf gestoßen sein. Da Sie diese trotzdem weiterhin ignorieren fordern wir Sie dringend auf, als CDU Hessen hierzu Stellung zu nehmen.

Noch mehr hat uns schockiert, dass Sie annehmen, dass Ihre Mitwirkung in den „Steuerungskreisen des FSC“ eine gute Idee sei. Eine solche Einmischung von fachfremden, politischen Interessen ist einer der großen Kritikpunkte am System FSC! Denn so werden statt Umweltschutzinteressen immer auch politische Abwägungen im Mittelpunkt stehen, die an dieser Stelle keinen Platz haben! Auch das „der neue FSC-Standard […] nicht vorschreibt, dass wir vollständig alle FSC-Standards erfüllen müssen, sondern dass wir uns hier in einen kontinuierlichen Prozess begeben“ ist schlicht falsch. Dass Ihnen der FSC gelegen kommt,

damit Sie keine neue Richtlinie für die Bewirtschaftung im Staatsforst oder der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung entwickeln müssen, ist, ehrlich gesagt, eine lahme Ausrede. Sie können die Zukunft des hessischen Waldes, des „Erholungsraumes“, den Sie so preisen, nicht einfach an einen Multimillionen Euro schweren Konzern mit Sitz in Mexiko abgeben, der sich jeder Kontrolle entzieht. Erwarten Sie wirklich, dass das keine Konsequenzen nach sich zieht? Sicher, die NGOs, die massiv vom FSC profitieren werden Sie hierfür öffentlichkeitswirksam loben. Aber kann das wirklich Ihr Ziel sein?

Wo bleibt Ihre Verantwortung für Ihr Land und künftige Generationen, die Sie durch die Annahme der Regierungsführung übernommen haben?

Für weitere Informationen und Diskussionen stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung. Die bisherigen offenen Briefe sowie Hintergrundinformationen finden Sie auf unserem Blog www.fragen-an-den-fsc.de .

 

Mit freundlichen Grüßen,
Arbeitsgruppe FadFSC

 

 

[1] Ihre Kollegin Frau Knell hat das auf 500 Arbeitsplätze hoch gerechnet, in der Regel ergeben sich aus 1000m³3 Waldholz ein Arbeitsplatz.

[2] https://www.forstpraxis.de/klugmann_arbeitssicherheit_og/, abgerufen am 05.02.2017 um 15:17 Uhr

[3] https://umwelt.hessen.de/sites/default/files/media/hmuelv/2018-01-18_abschlussbericht
_fsc_hessen_unique.pdf, Seite 73 mittig

[4] https://umwelt.hessen.de/sites/default/files/media/hmuelv/2018-01- 18_abschlussbericht_fsc_hessen_unique.pdf, Seite 74 unten

[5] http://www.fsc-deutschland.de/de-de, abgerufen am 05.02.2017 um 15:17 Uhr

[6] https://www.regenwald.org/pressemitteilungen/4475/fsc-ist-kein-oekolabel,
abgerufen am 06.02.2018 um 15:08 Uhr

[7] http://www.fragen-an-den-fsc.de/?p=1051

[8] http://www.fragen-an-den-fsc.de/?p=1051

[9] http://www.fragen-an-den-fsc.de/wp-content/uploads/2018/02/Anschreiben-Sch
%C3%A4fer-G%C3%BCmbel.pdf

[10] http://www.fragen-an-den-fsc.de/wp-content/uploads/2018/02/Offener-Brief-Frau-
Feldmayer.pdf

[11] http://www.fragen-an-den-fsc.de/wp-content/uploads/2017/09/Fragen-An-Den-
FSC_OffenerBrief-LT-Hessen.pdf

[12] http://www.fragen-an-den-fsc.de/wp-content/uploads/2018/02/Offener-Brief-Frau-
Schott.pdf

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