Nichtderbholznutzung

Zur Nichtderbholznutzung schreibt der FSC vor:

Was ist Nichtderbholz?

Nicht alle Teile des Baumes können nach der Ernte gleichermaßen holzwirtschaftlich verwertet werden. Aus dem Wald heraus transportiert und verarbeitet wird nur das sogenannte Derbholz, also oberirdische Holzmasse mit einem Zopfdurchmesser von mindestens 7cm (Durchmesser inklusive Rinde). Das, was verbleibt, sind Waldrestholz und Nichtderbholz das zumeist aus Kronenmaterial besteht. Dieses wird aktuell zum Beispiel für die Energiegewinnung in Biomasse (heiz)kraftwerken verwendet. Der Landesbetrieb HessenForst hat die Rohholznutzung in einer Präsentation auf dem Kulturholzforum Wiesbaden 2013 21 veranschaulicht:

Unsere Kritik an oben genannter Vorgabe ist der an Pestiziden, Flächenstilllegungen usw. sehr ähnlich:

Die Annahme von großer Innovation obwohl die FSC-Regelungen den gesetzlichen Vorgaben nicht überlegen sind

Für uns ist vollkommen unverständlich, wie zwar einerseits immer wieder eingeräumt wird, dass bereits staatliche Regelungen für eine vorsichtige, jedoch eben nicht gänzlich untersagte Entnahme von Nichtderbholz aus dem Wald bestehen (gemeint sind hier die „Nährstoffmanagementsysteme“[1]), dem FSC aber trotzdem die Allheilfunktion zugesprochen wird. Und dies, wieder, mit einer Argumentation, die einen unserer vehementesten Kritikpunkte unterstreicht:

Die fehlende wissenschaftliche Basis

Die grundsätzliche Argumentation des “Nichtderbholznutzungsverbotes” beruft sich auf die Argumentation, dass hierdurch dem Ökosystem Nährstoffe zugeführt werden, wodurch mehr Lebensräume geschaffen werden und die Biodiversität gefördert wird. Dementsprechend versprechen verschiedene Quellen immer wieder davon, dass nur ein gänzliches Verbot der Nichtderbholznutzung eine „ökologische Aufwertung“ [3] darstellt. Wir müssen dem deutlich widersprechen.

Auch devastierte Waldböden aus Weidennutzung und Plaggenhau [4] stellen eigene Biotope mit entsprechender Flora und Fauna dar. Gleichzeitig ist die Biodiversität in solchen nährstoffarmem Ökosystemen oft höher als in Ökosystemen mit hohem Nährstoffgehalt. Die Ursache liegt in der Vielzahl an Nischenhabitaten, die hochspezialisierten Spezies in nährstoffarmen Ökosystemen einen Lebensraum bieten, aus dem sie in nährstoffreichen Ökosystemen durch andere Spezies verdrängt werden würden. Dies ist beispielsweise gezeigt von [5];im Fall eines ausgeglichenen Nährstoffangebotes können sich weniger Arten einfinden. Die Studienlage deutet also darauf hin, dass – sofern ein linearer Zusammenhang überhaupt gezogen werden könnte, die Biodiversität eher von einem nährstoffarmen Ökosystem profitiert.

Übersimplifizierung

Angenommen, es könnte tatsächlich von einem ökologischen Mehrwert des Nichtderbholz-Nutzungsverbotes für den direkten Standort gesprochen werden. Dann bleibt das Problem, dass die oft angenommene Trennung von Derbholz und Nichtderbholz wirtschaftlich nicht darstellbar, da sie manuell vorgenommen werden muss und dementsprechend zeitintensiv und teuer ist. Tatsächlich verbleibt die gesamte Krone inklusive wesentlicher Anteile an Derbholz (ca. 20–30% des Baumes) im Bestand. Die im Bestand verbleibenden Laubholzkronen erschweren außerdem die Zugänglichkeit und erhöhen das Unfallrisiko für die Waldarbeiter im erheblichen Maße (Fällung → Rückweiche, Pflegearbeiten, etc.).

Abgesehen davon, dass der FSC-Standard hiermit gegen gängiges Arbeitsrecht verstößt, zeigt nur diese kurze Betrachtung bereits, dass die Übersimplifizierung der FSC-Standards nur wenig mit forstwissenschaftlicher Praxis zu tun haben. Wie sollen sie dieser dann jemals gerecht werden? Wie könnten sie sie jemals verbessern?

Regio-ökologische Phrasen statt globaler, ganzheitlicher Betrachtung

Wenn dem FSC unterstellt wird, er sei ein „Nachhaltigkeitszertifikat“ (was er übrigens von sich selbst gar nicht behauptet), dann ist dies gleich in mehreren Hinsichten falsch. Wie oben bereits erläutert sind die FSC-Richtlinien nicht angemessen, die Gesundheit und das langfristige Bestehen eines Ökosystemes zu sichern – und damit regional, ökologisch nicht „nachhaltig“. Weiterhin lässt der FSC hier sämtliche globale Perspektiven außer Acht. Wenn die lokalen, regenerativen Ressourcen (Biomasse, Waldrestholz) nicht genutzt werden können, so muss wiederum importiert, oder schlimmer noch, substituiert werden. Letzteres ist aufgrund der niedrigen Preise fossiler Brennstoffe die Regel. Im Klartext heißt das, dass regionale nachwachsende Energieträger durch fossile importierte Energieträger ersetzt werden – mit allen damit einhergehenden negativen Folgen für das Klima.

Wir möchten dies an einer kurzen Rechnung für den hessischen Staatswald verdeutlichen:

HessenForst betreut etwa 340.000 ha Staatswald. Unter Berücksichtigung der Trophie und basierend auf dem in Hessen angewendeten Nährstoffmanagementsystemen, ungefähr 20 % von 1,8 Efm / ha / a × 340.000 ha × 0,2 = 122.000 Efm /a für die klimabilanzneutrale Energiegewinnung aus Hackholz verfügbar. Mit der FSC-Forderung nach einem Verzicht auf Nichtderbholznutzung werden stattdessen fossile Brennstoffe, die eben nicht klimaneutral sind, für die Energiegewinnung herangezogen – 610.000 t im Jahr.

Diese alternative Nutzung fossiler Brennstoffe ist sicherlich weder von den FSC-stakeholdern noch von Entscheidungsträgern beabsichtigt, wurde und wird allerdings auch nie in einen Zusammenhang mit den FSC-Forderungen diskutiert. Auch hierfür bemängeln wir also, dass die Diskussion viel zu oberflächlich und simplifiziert bleibt.

Der Anspruch der Allwissenheit und besten Praxis

Wer den FSC-Standard und einige Aussagen von FSC-Funktionären liest könnte auf die Idee kommen, dass ohne FSC sämtliches Nichtderbholz immer konsequent aus dem Wald entnommen wird. Dies entspricht jedoch keinesfalls den Tatsachen. Ein Teil der gefällten Biomasse bleibt immer im Bestand zurück. Dementsprechend ist es auch unzulässig, für den Vergleich zwischen den FSC-Vorgaben und der bisherigen Praxis 0% und 100% Nichtderbholznutzung miteinander zu vergleichen.

Wir sind betroffen, dass unter anderem mit dem konsequenten Verbot der Nichtderbholznutzung den Förstern unterstellt wird, ihren eigenen Wald nicht angemessen zu bewirtschaften. Es ist im Interesse jedes Waldbesitzers/-bewirtschafters, ihn so zu bewirtschaften, dass er langfristig gesund und ertragreich bleibt. Dies gilt insbesondere für den Boden, denn der Waldboden stellt neben den klimatischen Bedingungen die wichtigste Produktionsgrundlage dar und im Gegensatz zu landwirtschaftlichen Flächen erfolgt im Wald keinerlei kompensierende Einflussnahme in Form von Düngung. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass wirklich nur das entnommen wird, was „entbehrbar“ ist. Der FSC scheint zu unterstellen, dass Waldbesitzer, unabhängig von der Besitzart, ausschließlich ihren finanziellen Erlös im Sinn haben und deshalb den Wald kategorisch zugrunde richten würden.

Wir empfinden diese Haltung nicht nur als unangemessen arrogant, sondern möchten auch darauf hinweisen, dass selbst bei einem rein finanziellen Interesse die Waldbesitzer immer bestrebt wären, eine möglichst langfristige, möglichst Gewinn bringende Waldwirtschaft anzustreben. Eine komplette Nichtderbholzentfernung wäre dementsprechend absolut unsinnig wäre, da sich der Waldbesitzer so seiner Produktionsgrundlage berauben würde. Das mag vereinzelt der Fall sein, trifft jedoch für die Gesamtbreite der Forstämter und Waldbesitzer nicht zu.

Fazit

Sowohl mit ihrem Verständnis vom Ökologie und Nachhaltigkeit, ihrem mangelnden Fachwissen und der Annahme der Unfehlbarkeit der eigenen Vorgaben sind die FSC-Standards auch zum Thema Nichtderbholznutzung nicht geeignet, eine verantwortungsvolle Waldpraxis in Deutschland zu gewährleisten. Sie stellen im Gegenteil eine Bedrohung für einen zukunftsorientierte, global-holistisch gedachte deutsche Waldwirtschaft dar.

Quellen

[1]   Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik e.V.:  „Forsttechnische Informationen Sonderausgabe 1: Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der Deutschen Forstwirtschaft“ (2016), S. 33 ff

[2]   Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik e.V.:  „Forsttechnische Informationen Sonderausgabe 1: Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der Deutschen Forstwirtschaft“ (2016), S. 33 ff

[3]  UNIQUE-Gutachten zur FSC-Zertifizierung des hessischen Staatswaldes, Kapitel „Verzicht auf Nichtderbholznutzung“, Seite 35

[4] Landesamt für Umweltschutz. „Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt“, 51. Jahrgang (2014), Kapitel „Geschützte und gefährdete Pflanzen, Tiere und Landschaften des Landes Sachsen-Anhalt“, Seite 4

[5] Reichholf, Josef H. “Stabile Ungleichgewichte. Die Ökologie der Zukunft.” (2008).

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