Soziale Nachhaltigkeit

Einer unserer Hauptkritikpunkte am FSC ist es, dass er in seinen Forderungen die sozialen, ökonomischen und globalen Folgen außer Acht lässt.

Dementsprechend kommen wir nicht umhin, der sozialen Nachhaltigkeit ein eigenes Kapitel zu widmen.

Vorab möchten wir jedoch darauf hinweisen, dass in all unseren Texten die Wörter Nachhaltigkeit oder nachhaltig oft in Anführungszeichen stehen. Dies entspricht unserem inneren Konflikt zu diesem Wort und seiner Bedeutung. In Ermangelung einer allgemein gültigen Definition betrachten wir eine Waldwirtschaft dann als nachhaltig, wenn sie:

  • Die sozialen, ökologischen und ökonomischen Folgen einer Handlung in Betracht zieht und diese in ein Gleichgewicht setzt, das
  • Es künftigen Generationen erlaubt, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, wie wir als aktuelle Generationen unsere Bedürfnisse befriedigen
  • Und dies weltweit

In der Auseinandersetzung mit dem FSC fällt auf, dass er in den meisten Fällen nur von einer ökologischen Nachhaltigkeit spricht, die soziale und ökonomische jedoch kaum eine Rolle spielen. Allenfalls werden beide Begriffe gerne zurate gezogen, um ein Argument weiter zu unterstreichen. Meist steht hinter der Verwendung des Begriffes jedoch sehr offensichtlich weder ein Verständnis davon, was er bedeutet, noch ein vertieftes Interesse daran, ihn fachgerecht umzusetzen.

Durch die streng ökologische Betrachtungsweise erfährt der FSC eine Eindimensionalität, die per Definition „nachhaltiges“ Handeln unmöglich macht. Und obwohl dem FSC gern unterstellt wird, es sei ein „Nachhaltigkeitszertifikat“, scheint niemand Interesse daran zu haben, genau dies zu kritisieren. Selbst Fachgutachten, wie beispielsweise das der Firma UNIQUE zur FSC-Zertifizierung der hessischen Wälder, erhebt die sozialen Folgen der FSC-Zertifizierung gar nicht erst mit, obwohl sie angeblich seine „Nachhaltigkeit“ untersucht:

„Eine nachhaltige Holzwirtschaft wird durch das Zertifizierungssystem Forest Stewardship Council (FSC) abgesichert. Dahinter stehen die Förderung einer umweltfreundlichen, sozialförderlichen und ökonomisch tragfähigen Bewirtschaftung von Wäldern und ein verantwortungsvoller Umgang mit den globalen Waldressourcen. Wir wollen eine schrittweise Zertifizierung des hessischen Staatsforstes nach den Kriterien des „FSC Deutschland“. Dabei werden wir so vorgehen, dass die ökologischen und ökonomischen Ergebnisse bei den Umsetzungsschritten berücksichtigt werden.[1]

Die soziale Nachhaltigkeit scheint eher ein Notfall-Stützrad darzustellen, das bei Bedarf ausgefahren wird um einem Thema eine bessere Balance zu geben. Bei näherer Betrachtung misslingt dies jedoch auf voller Länge.

Unsere Recherche zum Thema soziale „Nachhaltigkeit“ im FSC-Konzern ergab nur mit viel gutem Willen einige vage Hinweise, wie beispielsweise zum Thema

Rückegassenabstände

Bei der Diskussion zu den Rückegassenabständen argumentiert der FSC für eine Erweiterung der Abstände mit dem Argument, dass durch die damit notwendig motormanuelle Zufällung mehr Arbeitsplätze entstehen könnten. Das erscheint auf den ersten Blick sozial. Aber ist es auch „nachhaltig“, also rechtfertigt der soziale Nutzen die ökologischen und ökonomischen Folgen?

Nichtderbholznutzung:

Gehen wir nun davon aus, das Beschäftigen von mehr Waldarbeitern sei „sozial nachhaltig“. Diese Schlussfolgerung muss wenigstens erneut betrachtet werden wenn man mit einbezieht, dass durch die vom FSC geforderte Nichtnutzung von Nichtderbholz ungleich mehr Baumbestandteile im Wald verstreut liegen, die die Flexibilität und Ausweichmöglichkeiten der Arbeiter zusätzlich einschränken. Das hierdurch erhöhte Sicherheitsrisiko für Waldarbeiter ist beträchtlich. Ist dies also noch „sozial nachhaltig“? Kann es  „sozial nachhaltig“ sein, wenn es den deutschen Arbeitsschutzgesetzen widerspricht (siehe Blogartikel Nichtderbholz)?

Flächenstilllegungen – Einblick in eine globale Perspektive

Wenn schließlich noch die globale Perspektive hinzugezogen wird (wie wir dringend empfehlen!), so fällt spätestens jetzt auf, dass das Verhalten des FSC nicht als sozial, sondern als neokolonial bezeichnet werden kann. Dass in Deutschland Flächen still gelegt werden hat erst einmal nur zur Folge, dass die „Umweltschützer“ verstummen und „grünen Stimmen“ ihre Wählerklientel befriedigen können. Wie viele Stimmen aus anderen Ländern dabei verstummen, beziehungsweise gänzlich ungehört verhallen, wird nicht mit einem Wort erwähnt. Jedem, der sich auch nur minimal tiefer mit der Materie auseinandersetzt, muss auffallen, dass eine Verlagerung der Ernteorte bedeutet, dass andernorts Menschen dauerhaft ihre Lebensgrundlage entzogen wird – und das, um mit völlig ungeeigneten Methoden dem zweifelhaften Ideal einer regio-ökologischen „Nachhaltigkeit“ in Deutschland nachzueifern.

Uneinheitlichkeit

Durch willkürliche Regeländerungen oder plötzliches, ebenso willkürliches Abweichen von bestehenden Regelungen, wie wir es in den letzten Jahren im FSC Deutschland erlebt haben, experimentiert der Konzern. Sein Ziel ist hierbei nicht primär, möglichst gute Praxis anzuwenden und diese langfristig zu sichern. Anderenfalls würden seine Standards und Papiere auf anderen Grundlagen beruhen als sie es tun. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf dass er versucht heraus zu finden, wie genau er sich positionieren sollte, um eine möglichst große Öffentlichkeitswirksamkeit und gute Reputation zu erreichen. Darunter leiden Wald, Waldarbeiter und Waldbesitzer, Verwaltungsangestellte und alle in jegliche Holzprozesse involvierten Menschen bis hin zum Endverbraucher. Von sozialer „Nachhaltigkeit“ ist dies meilenweit entfernt.

Einbeziehung lokaler Interessenvertreter

Für den FSC Deutschland sieht das alles sehr transparent aus. Zu bestimmten Anlässen lädt der FSC zu Veranstaltungen, in denen scheinbar verschiedene Interessensvertreter ihre Meinung vertreten können. Auf den ersten Blick erscheint dies ein demokratisches Grundsystem zu sein, das die Qualität und beständige Verbesserung fördert. In der Realität sieht es jedoch leider anders aus. So hat beispielsweise schon der hessische Rechnungshof in seinem Bericht zur FSC-Zertifizierung des hessischen Staatswaldes festgestellt, dass selbst FSC-Mitglieder nur einen sehr begrenzten Einfluss auf die Entscheidungen der deutschen Landesgruppe, geschweige denn dem mexikanischen Mutterkonzern haben. Dementsprechend stellt sich die Frage, wie lokale Interessenvertreter Einfluss auf sie betreffende Entscheidungen nehmen können. Die Antwort ist: quasi gar nicht.

Schlimmer wird dies noch, wenn man sich Länder anguckt, in denen diesen Interessenvertretern noch viel weniger gesellschaftliche Bedeutung oder mediale Aufmerksamkeit zugesprochen wird. Der FSC rühmt sich, indigene Völker und lokale stakeholder in Entscheidungsfindungen mit ein zu beziehen. In der Realität bedeutet das jedoch, dass Einladungen zu Stakeholderbeteiligung gut versteckt im Internet veröffentlicht werden, ohne jede Möglichkeit für Ortsansässige, dies zu bemerken und sich zu wehren. Wir zitieren an dieser Stelle immer wieder gerne Bruno Manser: „Der Wald hat kein Telefon.“

Mit dieser – zugegeben, etwas verkürzten – Darstellung möchten wir vor allem betonen, dass es dem FSC an einem Interesse und der Fähigkeit zu einer ganzheitlichen Perspektive mangelt. Hiermit disqualifiziert er sich selbst, jemals für eine „nachhaltige Entwicklung“ der deutschen Waldwirtschaft einzustehen.


[1]                UNIQUE-Gutachten, Kapitel „Einführung“, Seite 10. Zitiert aus dem  Koalitionsvertrag der hessischen Landesregierung 2014  

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